Neulich in Sydney. Ich treffe meine Freundin Ariane, um über ihr Online Business zu reden. Ich, voll im Kinder-Haushalts-Umbaustress. Meine Freundin kinderlos, und voller Businessideen rund ums Thema „Sex sells“. Der kleine Unterschied  🙂 Aber wartet’s ab, es kommt noch besser! Melanie Blankenstein über ein Thema, für das viele keine Worte haben.

Im Cafe gesellen sich zufällig zwei Bekannte dazu, verfolgen unser Gespräch über PR, Marketing, neue Herausforderungen. Nachdem sich meine Freundin verabschiedet hat, kommt die Frage, die bisher wie ein Elefant im Raum stand. “Was genau macht denn eigentlich Deine Freundin?” Stille. Ich überlege, vermutlich erröte ich nicht zu knapp.

Ich könnte schnell zur Sache kommen und sagen: Sie verkauft erfolgreich online Liebesspielzeug, Dildos usw. Was aber höre ich mich sagen? “Sie verkauft Erwachsenenspielzeug … aber anders!” Kein Wunder, dass die Stille lauter wird. Betretene Gesichter. Mir fehlen schlicht die Worte.

Alle wollen guten Sex! Ist doch so. Hand hoch, wem es gleichgültig ist! Ob frisch verliebt, lange in einer Beziehung oder alleinstehend.

Geht das nur mir so? Warum ist dieses Thema immer noch so schlüpfrig, daß man sich beschämt fühlt, auch nur daran zu denken? Wieso ertappe ich mich dabei, dass ich mich rechtfertige? Die Kompetenz meiner Freundin als gestandene, toughe Businessfrau mehrfach unterstreiche, aber den eigentlichen Grund abtue: Alle wollen guten Sex! Ist doch so. Hand hoch, wem es gleichgültig ist! Ob frisch verliebt, lange in einer Beziehung oder alleinstehend.

Keiner mag etwas mit Vibratoren zu tun haben. Doch Arianes Verkaufszahlen belegen das Gegenteil: Der Umsatz läuft. Ihre Kunden sind aus jeder Altersklasse, sowohl weiblich als auch männlich. Für die Freude der Frau oder für den gemeinsamen Spaß gibt es Produkte wie z.B. den Tango von We-Vibe oder den Tiani 3 von Lelo. Viel wird schon über die mobile Webseite gekauft. Klar, Australien, das Land der Smart Phones.

Rotlichtmilieu und Adult Shops, Beate Uhse und SuperIllu erfüllten bisher die Wünsche eines Klientels, das wusste, was es wollte und hauptsächlich männlich war. Moderne Online Shops liefern jetzt ein inspirierendes Einkaufserlebnis für die wachsende Anzahl an interessierten (weiblichen) Normalbürgern. Ein Markt, auf den sich Beate Uhse und co. erst langsam einstellen.

Auch in Australien ist dies nicht anders. Hinter der leicht prüden Fassade verbirgt sich ein experimentierfreudiges Volk, das durch den Trend neuer erotischer Literatur inspiriert wurde. Was also soll an einem menschlichen Grundbedürfnis anstößig sein, dass keiner darüber reden will?

Die Idee zu diesem Online Shop bekam Ariane, als sie für einen online Retailer eine Testkampagne mit Lovetoys kreierte. Sie traute ihren Augen nicht, wie hoch die Anfrage war, wie ausgewählte Produkte frei von Stigma präsentiert und wie Mode verkauft wurden. Doris Nyx – so der Name Ihrer Firma – ging Ende Februar 2014 live.

Ihre Webseite hat mehr als Dildos und Dessous. Von „10 things to do on a rainy day“ über Musikempfehlungen, Beckenboden Übungen und Wochenendreisetipps bietet Doris Nyx alles, was das Liebesleben bereichern kann. Ob man Single ist oder einen festen Partner hat.

Das Konzept ist, Produkte wie Mode zu verkaufen: mittels einer Webseite, die voller inspirierender Bilder mit Gute-Laune-Feeling ist und klare, detaillierte Produktbeschreibungen gibt. So kann man auch flauschige Cashmere-Pullis feil bieten… Produkte, die qualitativ und visuell ansprechend sind, dazu ein intuitiver Einkaufsprozess. Das Ganze unterstützt von einem Kundenservice per Anruf, email oder live chat. Eine Welt, die weit entfernt von althergebrachten lasziven, großbrüstigen Frauenbildern und gespreizten Beinen ist.

Von ihrer Familie bekommt sie alle Unterstützung. Ihre Eltern helfen beim internationalen Market Research. Zu zweit trauen sie sich im Rentenalter in einen traditionellen „Schmuddelshop“ – sahen selbst, dass dies keine Umgebung zum entspannten, spaßigen Einkaufen ist. Aber was sagen die Freunde? Was sagt der eigene Partner und dessen Kinder? Wie fühlt sie sich selbst, wenn sie über das Thema redet?

„Produkte zu verkaufen, die noch immer spontan mit Vorurteilen behaftet sind, führt zu einer Vielzahl an Reaktionen. Die Unterstützung meines Partners, meiner Freunde und meiner Familie ist unglaublich, aber gleichzeitig merke ich, daß einige doch Probleme haben mit der Branche, in der ich arbeite. Das führt dazu, dass die lieber nicht erwähnen, was ich beruflich mache, aus Angst, dass das Schmuddelimage auf sie abfärben könnte. Sexspielzeug komplett salonfähig zu machen, geht leider nicht über Nacht“.

Die größte Herausforderung sieht Ariane darin, dass der Markt schwer zu bearbeiten ist. Werbung auf Facebook ist für dieses Genre nicht erlaubt, Aufklärung in Sachen Gesundheit (z.B. sexual health) hingegen doch. Arianes Produkte sollen schon beim Einkauf Lust machen. Bis hin zur diskreten, liebevollen, stylisch anmutenden Verpackung und Versendung. „Freude vom Anfang bis zum Ende!“

Meine Bekannten nicken anerkennend. Aber so richtig betrifft sie das Thema ja nicht… Denkt Ihr! Ich sehe, wie eine Bekannte – unter dem Vorwand eine SMS tippen zu wollen – den Namen der Webseite in ihr Telefon notiert!

Wer Doris Nyx auf Twitter folgen möchte

Fotos: Doris Nyx