Eltern: Lasst die Kinder doch in Ruhe!
Ich kenne pensionierte Lehrer, die schon vor Jahren Jugendliche in ihrer Klasse hatten, die sich bei einer Rüge süffisant so meldeten: „Mein Papa ist Anwalt, Sie können mir gar nix.“
Was ich über den Schulalltag höre und lese, lässt mich schon jetzt schaudern. Und das, obwohl mein Kind das Schulalter noch gar nicht erreicht hat. Überall beklagen sich Eltern darüber, was ihren Kindern alles angetan wird. Natürlich nicht zuhause, sondern in der Schule. So präsentiert die Süddeutsche einen Artikel mit dem Titel „Die Schule macht die Schüler krank“ und zitiert einen Bielefelder Kinderarzt wie folgt: „Unser Problem ist die zunehmende Zahl der sogenannten neuen Kinderkrankheiten.“ Nicht mehr Masern, Röteln und Mumps seien heute das Problem, sondern die steigende Zahl an Depressionen, Angst- und Schlafstörungen sowie psychosomatischen Störungen. Das achtjährige Gymnasium G8, Inklusion, Lehrermangel , fasst die Zeitung zusammen, seien „in den Augen der Ärzte ein Grund dafür, dass das seelische Leid der Schüler zunimmt“.
Mir tun diese Kinder leid. Weil sie sich extrem durchbeißen müssen um irgendwann selbst zu erfahren, wie wenig zielführend dieses einseitige Schuldzuschieben ist. Sicher gibt es einiges zu verbessern auch am Schulsystem. Und wie gesagt, ich bin da noch nicht „drin“, aber gerade von außen hat man ja oft einen unverschleierten Blick. Es kommt mir spanisch vor, dass zuvorderst ein System schuld sein soll und die Systemmitspieler, also die Eltern selbst, ihr Ding durchziehen, koste es was es wolle.
Als ich den obersten Ordnungshüter Kölns auf einem Rundgang durch ein Viertel begleite, um ihn bei seiner Arbeit zu beobachten, spurtet der plötzlich los, rennt auf einen großen Jeep zu. Dessen Fahrerin stoppte gerade vor einer Schule, um ihr Kind dort aussteigen zu lassen. Diese Leute, sagt er mir, seien die Schlimmsten. Als ich ihn perplex anschaue, fügt er hinzu: „Da ist absolutes Halteverbot!“ Ok, denke ich, ein Schild, die Ordnung, bisschen übereifrig. Bis mir klar wird, welch wunden Punkt der Mann anspricht. Denn gerade die (dicken) Autos, die mal eben halten und wieder anfahren, bringen andere Kinder in absolute Gefahr. Sie müssen an den Wagen vorbei, sehen nichts, sind verunsichert. Das sei den Eltern aber meist völlig wurscht, sagt mir mein Interviewpartner, „Hauptsache, ihre Kinder kommen gut durch“.
Was sind das für Eltern, deren Kinder gestresst sind? Nicht alle sind gleich „Helikopter-Eltern“, wie es gern neudeutsch heißt. Dennoch scheint mir, dass all die, deren Gedanken allzu oft um das Wohl der Kinder kreisen, lieber mal selbst eine Stunde Yoga tanken sollten als sich schon wieder darum zu bemühen, ihrem Kind gerecht zu werden. „Lasst die Kinder in Ruhe“, rufen deshalb Pädagogen, Ärzte und Wissenschaftler. Geht raus in die Natur. Treibt Sport. Um nur zwei Möglichkeiten zu nennen, die viele offenbar vergessen haben.
Beachtenswert, was mir eine Lehrerin, selbst Mutter zweier Teenies, schreibt: „Ich kann dieses ewige Gemeckere und Besserwissertum über unser Schulsystem nicht mehr hören. Schaut doch mal in die Länder, wo es scheinbar klappt (außer Finnland, aber da gibt es die höchste Selbstmordrate weltweit und keine Migranten). Wenn Du in Frankreich, USA und wo auch immer eine gute Schule für Dein Kind möchtest, dann musst Du viel Geld bezahlen und schickst es auf eine Privatschule – so sieht das nämlich aus. Vielleicht sollten die unzufriedenen Eltern und auch Lehrerinnen sich mal fragen, was sie in ihrem Leben so falsch machen, dass sie so gestresst sind, dass es sich auf ihre Kinder überträgt!!! Ich kann als Mutter eines Neuntklässlers und eines Siebtklässlers nur beisteuern, dass von uns niemand gestresst ist, außer dem Papa, weil er am Wochenende Notdienst hatte.“ Ihr Mann ist Rettungsarzt…